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          LandKULT Ausgabe IV/2013
        
        
          Gerabronn − Portrait Ehrenbürger
        
        
          Das „Nudelschloss“
        
        
          Einst pulsierte das Leben in der Gerabronner Stadtmitte
        
        
          Heute
        
        
          erinnert
        
        
          das
        
        
          wuchtige
        
        
          Industriedenkmal „Nudelschloß“ als
        
        
          letzter Zeuge
        
        
          auf dem großen brachlie-
        
        
          genden Gelände, das Israel einst gekauft
        
        
          hatte an das
        
        
          pulsierende Leben, dass es
        
        
          hier einst ein gab. An
        
        
          den hohen Zaun,
        
        
          an das wuchtige Tor, die Gleise und
        
        
          Züge, die vielen Menschen, die ein- und
        
        
          ausgingen.
        
        
          Unter großem Engagement seiner
        
        
          langjährigen Mitstreiter, mit denen er
        
        
          im Jahr 1890 das „Eisenbahn-Comité“
        
        
          gegründet hatte, stimmte endlich nach
        
        
          jahrelangen Kämpfen um eine verbes-
        
        
          serte Verkehrsanbindung an die großen
        
        
          Bahnnetze die Regierung in Stuttgart
        
        
          dem Bau einer so genannten Sekun-
        
        
          därbahn, einer Stichbahn vom Bahnhof
        
        
          Blaufelden nach Langenburg zu.  Bis
        
        
          dahin hatten die Bauern stets mit Pfer-
        
        
          defuhrwerken ihre Waren zur Fabrik
        
        
          in Gerabronn oder zum Bahnhof nach
        
        
          Blaufelden gefahren.
        
        
          Israel Landauer hatte auf eigene Rech-
        
        
          nung ein Gutachten bei einem Sachver-
        
        
          ständigen erstellen lassen, in welchem
        
        
          die Pläne und Kosten dieser Bahnan-
        
        
          bindung exakt errechnet und dargestellt
        
        
          waren, welches beim Regierungspräsi-
        
        
          dium Stuttgart zur Genehmigung einge-
        
        
          reicht wurde.
        
        
          Aus der Erzählung eines alten Bauers
        
        
          aus Rechenhausen ist überliefert, wie
        
        
          Trickreich Israel das Stuttgarter Parla-
        
        
          ment überzeugen konnte, dem Bau der
        
        
          Sekundärbahn endlich zuzustimmen.
        
        
          Von dort war ein Kontrolleur entsandt
        
        
          worden, der die realen Fahrten
        
        
          der Bauern mit ihren beladenen
        
        
          Leiterwägen feststellen sollte.
        
        
          Sein Kontrollpunkt war die
        
        
          Stelle wo der Weg von Rechen-
        
        
          hausen auf die Blaufelderstraße
        
        
          mündet.
        
        
          Daraufhin forderte Landauer
        
        
          alle erreichbaren Bauern auf
        
        
          einen ganzen Tag lang mit voll
        
        
          beladenen Fuhrwerken zwischen
        
        
          Rechenhausen und der Fabrik hin
        
        
          und her zu fahren. Das Verkehrs-
        
        
          aufkommen soll an diesem Tag so enorm
        
        
          gewesen sein, dass der Kontrolleur voller
        
        
          Überzeugung nach Stuttgart zurück-
        
        
          kehrte. (Er hatte ganz offenbar nicht
        
        
          bemerkt, dass immer wieder dieselben
        
        
          Pferdewagen mit derselben Ladung an
        
        
          ihm vorüber gefahren waren.)
        
        
          So konnte nach zehnjährigen Bemü-
        
        
          hungen endlich die Bahnverbindung im
        
        
          Januar 1900 mit großen Festlichkeiten
        
        
          eröffnet werden.  Das große
        
        
          Ereignis wurde natürlich gebüh-
        
        
          rend in der Turnhalle gefeiert.
        
        
          Post und Fracht wurden nun
        
        
          nicht mehr mit der Postkut-
        
        
          sche und Pferdewagen beför-
        
        
          dert, Gerabronn und alle an der
        
        
          Bahnlinie liegenden Orte waren
        
        
          der großen Welt etwas näher
        
        
          gerückt.
        
        
          Einige Zeit später ließ Israel
        
        
          Landauer eine direkte Gleis-
        
        
          verbindung vom Gerabronner
        
        
          Bahnhofsgelände  bis ins Fabrik-
        
        
          gelände verlegen, sodass auch der kurze
        
        
          Zwischentransport von der Nährmittelfa-
        
        
          brik zum Bahnhof entfiel und der Firma
        
        
          einen weiteren Aufschwung möglich
        
        
          machte.
        
        
          In wenigen Jahrzehnten war es ihm
        
        
          gelungen dem durch bäuerliche Fami-
        
        
          lien geprägten Gerabronn einen neuen
        
        
          Charakter zu geben.  Es hatte sich der
        
        
          Ort gewandelt.  Das neue Industriezeit-
        
        
          alter hatte auch hier Einzug gehalten.
        
        
          Mit Genossenschaften, einer modernen
        
        
          großen Fabrik und vielen Gewerbebe-
        
        
          trieben waren neue Arbeitsplätze und
        
        
          Arbeitsmethoden geschaffen worden.
        
        
          Anderseits kritisierte ihn so mancher
        
        
          Landwirt dafür, denn es war nun sehr
        
        
          viel schwieriger geworden gute Knechte
        
        
          und Mägde für die Stall - und Feldarbeit
        
        
          zu finden.
        
        
          In den achtziger und neunziger Jahren
        
        
          waren viele neue und schöne Gebäude in
        
        
          Gerabronn gebaut worden.  Auch Israel
        
        
          kaufte in jenen Jahren ein größeres
        
        
          Grundstück an der Blaufelderstraße 42,
        
        
          unweit der Nährmittelfabrik und baute
        
        
          für seine große Familie ein stattliches
        
        
          Wohnhaus, umgeben von einem großen
        
        
          Garten, heute das Wohnhaus der Familie
        
        
          Wankmüller. Der hintere Teil des Gar-
        
        
          tens liegt direkt gegenüber dem Fabrik-
        
        
          gelände.  So hatte Israel einen kurzen
        
        
          und angenehmen Weg zur Fabrik.
        
        
          Irmgard Krikellis-Buck
        
        
          Der erste private Kraftwagen in Gerabronn und sein
        
        
          stolzer Besitzer Albert Wankmüller, Vorsitzender
        
        
          des 1909 gegründeten Vereins der Motoren- und
        
        
          Kraftwagenbesitzer im Oberamtsbezirk Gerabronn
        
        
          im Bau um 1900